Euskirchen - Kirche St. Martin Geschichte, Glaube und Kunst im Herzen der Stadt

Inhaltsverzeichnis
Einleitung: Euskirchen St. Martin Kirche – Eine Kirche mit jahrhundertealter Geschichte
Mitten im Herzen von Euskirchen erhebt sich die Pfarrkirche St. Martin, ein Bauwerk, das die wechselvolle Geschichte der Stadt über die Jahrhunderte hinweg begleitet hat. Als älteste Kirche Euskirchens blickt sie auf eine lange Tradition zurück, die bis ins 8. Jahrhundert reicht. Ursprünglich als bescheidene Saalkirche errichtet, entwickelte sie sich im Laufe der Jahrhunderte zu einer beeindruckenden romanischen Pfeilerbasilika mit gotischen Erweiterungen. Ihre Mauern erzählen von einer Zeit, in der sich der christliche Glaube fest in der Region verwurzelte und die Stadt an Bedeutung gewann.
Doch St. Martin ist nicht nur architektonisch ein Meisterwerk der Geschichte, sondern auch ein Ort des kulturellen und spirituellen Erbes. Ihre prachtvolle Ausstattung – darunter ein bedeutendes Antwerpener Schnitzretabel, das eindrucksvolle Sakramentshäuschen und die berühmte Euskirchener Madonna – zeugt von der künstlerischen Hochblüte des Mittelalters und der Renaissance. Die Kirche hat über die Jahrhunderte zahlreiche Umgestaltungen erlebt, wurde erweitert und renoviert, stets mit dem Ziel, ihren Charakter als geistliches Zentrum der Gemeinde zu bewahren.
Bis heute ist St. Martin ein Ort der Begegnung, des Glaubens und der Geschichte. Ihre Türen stehen nicht nur Gläubigen offen, sondern auch Kunst- und Architekturinteressierten, die hier auf eine Zeitreise durch die Bau- und Kunstgeschichte gehen können. Tauchen Sie ein in die faszinierende Geschichte einer Kirche, die Euskirchen seit mehr als einem Jahrtausend prägt.
Geschichte der Kirche St. Martin in Euskirchen

Die Ursprünge von St. Martin – Von den Anfängen bis ins Mittelalter
Die Pfarrkirche St. Martin in Euskirchen zählt zu den ältesten Sakralbauten der Stadt und ist von großer historischer sowie kunstgeschichtlicher Bedeutung. Ihre Ursprünge reichen vermutlich bis in das 8. Jahrhundert zurück. Archäologische Hinweise deuten darauf hin, dass die erste Kirche um das Jahr 700 auf einem fränkischen Friedhof errichtet wurde. Dieser ursprüngliche Saalbau aus Holz und Stein besaß einen rechteckigen Chorabschluss und diente der wachsenden christlichen Gemeinde als Gotteshaus.
Im späten 12. Jahrhundert wurde das einfache Kirchengebäude durch eine dreijochige Pfeilerbasilika ersetzt. Die neue Kirche verfügte über einen Chor im Osten und einen mächtigen Glockenturm im Westen. Besonders auffällig war die romanische Gestaltung des Hochschiffs, das mit Rundbogenfriesen und Lisenen versehen wurde.
Gotische Umgestaltungen im Hoch- und Spätmittelalter
Mit der zunehmenden Bedeutung der Kirche wurden im 13. und 14. Jahrhundert mehrere bauliche Erweiterungen und Anpassungen vorgenommen. Gegen Ende des 13. Jahrhunderts verlängerte man den Chor um ein zusätzliches Joch und versah sowohl das Langhaus als auch den Chor mit gotischen Fenstern. Dies veränderte das Erscheinungsbild der Kirche maßgeblich und brachte mehr Licht in das Innere.
Im 14. Jahrhundert folgte eine weitere markante bauliche Veränderung: Das Mittelschiff wurde mit Netzgewölben ausgestattet, die der Kirche ein noch imposanteres Erscheinungsbild verliehen. Im Jahr 1490 wurde zudem der Kirchturm aufgestockt, was seine heutige markante Silhouette prägte.

Veränderungen und Erweiterungen in der Neuzeit
Die Geschichte der Umbauten von St. Martin setzte sich auch in der Neuzeit fort. Im Jahr 1939 wurde eine Taufkapelle angebaut, die heute als Schatzkammer dient. Besonders bemerkenswert ist die schiefe Turmspitze, die oftmals mit dem Erdbeben von 1951 in Verbindung gebracht wird. Tatsächlich stellten Reparaturarbeiten nach dem Erdbeben jedoch fest, dass die Neigung des Turmhelms bereits beim Bau absichtlich herbeigeführt wurde – vermutlich als Tribut an die vorherrschende Windrichtung aus Nordwesten.
Im 20. Jahrhundert wurde die Kirche mehrfach renoviert. So erfolgte in den 1950er-Jahren eine umfassende Restaurierung des Innenraums, während die letzte Erneuerung des Kirchensaals im Jahr 2001 abgeschlossen wurde.
St. Martin – Ein architektonisches Zeugnis der Jahrhunderte
Die Kirche St. Martin präsentiert sich heute als gotische Saalkirche, die im Laufe der Jahrhunderte stetig erweitert und modernisiert wurde. Besonders prägend für ihr Erscheinungsbild war der Übergang von der Romanik zur Gotik, der sich vor allem in den erhöhten Chorabschlüssen und den Spitzbogenfenstern widerspiegelt.
Mit einer Geschichte von über 1.300 Jahren ist St. Martin nicht nur das älteste Kirchengebäude Euskirchens, sondern auch ein bedeutendes Denkmal der regionalen Kirchenbaukunst. Ihre Rolle als Pfarrkirche wurde bereits im Jahr 1190 offiziell bestätigt, als sie zur eigenständigen Pfarrei innerhalb des damaligen Dekanats Zülpich erhoben wurde.
Architektur und Bauweise der Kirche St. Martin in Euskirchen

Romanische Ursprünge und erste Bauphase
Die heutige Kirche St. Martin in Euskirchen ist das Ergebnis einer Jahrhunderte langen architektonischen Entwicklung. Der erste nachweisbare Bau stammt aus dem 12. Jahrhundert und wurde als dreischiffige romanische Basilika errichtet.
🔹 Frühe Baugeschichte (um 1100–1200)
Die Kirche wurde wohl auf den Fundamenten einer älteren Saalkirche errichtet, worauf die profillosen Arkadenpfeiler im Inneren schließen lassen. Die Gliederung des Mittelschiffs durch Rundbogenfriese und Lisenen ist ein charakteristisches Merkmal der Romanik.
🔹 Erweiterung zur Basilika (spätes 12. Jahrhundert)
Ende des 12. Jahrhunderts wurde das Kirchenschiff erweitert. Besonders auffällig ist das massive Untergeschoss des Westturms, das noch heute erhalten ist. Ursprünglich war die Kirche eine einfache Pfeilerbasilika, die jedoch in den folgenden Jahrhunderten mehrfach umgebaut wurde.
Gotische Erweiterungen – Ein jahrhundertelanger Umbauprozess
Mit dem Übergang zur Gotik begann um 1300 eine umfassende Erweiterung, die sich über mehr als 200 Jahre hinziehen sollte:
✔ Um 1300: Anbau des Hauptchores sowie eines südlichen Nebenchores
✔ 1434: Einwölbung des südlichen Seitenschiffes
✔ 1488: Einwölbung des nördlichen Seitenschiffes
✔ Um 1500: Einwölbung des Mittelschiffes und der Turmgeschosse
Diese Umbauten führten zur heutigen Kreuzbauform der Kirche mit hoch aufragenden Gewölben, die durch Strebepfeiler gestützt werden.

Spätmittelalterliche Veränderungen und der markante Turm
Der Kirchturm wurde 1490 um ein weiteres Stockwerk erhöht, wodurch er seine heutige Höhe erhielt. Eine Besonderheit ist der leicht geneigte Turmhelm, der eine sichtbare Neigung nach Nordwesten aufweist.
🔹 Kuriosität:
👉 Bei Restaurierungsarbeiten nach dem Erdbeben von 1951 stellte sich heraus, dass diese Schiefstellung des Turms absichtlich bei der Errichtung so konstruiert wurde. Wahrscheinlich war dies eine Anpassung an die vorherrschende Windrichtung.

Veränderungen in der Neuzeit – Barocke und neugotische Elemente
Zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert erfuhr die Kirche zahlreiche Erneuerungen:
✔ 18. Jahrhundert:
- Erneuerung der Dachlandschaft mit steilen, schiefergedeckten Dächern
✔ Zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts:
- Restaurierung nach Plänen der Architekten August Lange und Heinrich Renard
- Hinzufügen von quergestellten Walmdächern über dem südlichen Seitenschiff

Umbauten und Restaurierungen im 20. und 21. Jahrhundert
Mit der fortschreitenden Entwicklung Euskirchens wuchs auch die Gemeinde, was bauliche Anpassungen notwendig machte:
✔ 1939: Anbau der Taufkapelle, die heute als Schatzkammer genutzt wird
✔ 1950er Jahre: Umfangreiche Renovierungen des Innenraums
✔ 2001: Letzte große Sanierung des Kirchensaals, um die historische Bausubstanz zu erhalten
Fazit zur Baugeschichte
Die Kirche St. Martin in Euskirchen vereint verschiedene Architekturstile aus mehreren Epochen. Von ihren romanischen Ursprüngen über die gotischen Erweiterungen bis hin zu den barocken und neugotischen Elementen des 18. und 19. Jahrhunderts zeigt sie die kontinuierliche Entwicklung sakraler Baukunst. Ihre charakteristische Silhouette mit dem erhöhten, leicht schiefen Turm macht sie zu einem prägnanten Wahrzeichen der Stadt Euskirchen.
Ausstattung der Kirche St. Martin in Euskirchen
Die Kirche St. Martin beherbergt eine bemerkenswerte Sammlung spätgotischer Kunstwerke und sakraler Schätze. Viele der Werke stammen aus dem 15. und frühen 16. Jahrhundert und zeugen von der hohen handwerklichen Qualität ihrer Entstehungszeit. Besonders die Antwerpener Schnitzkunst, feine Holz Arbeiten und edle Metallverzierungen machen die Ausstattung der Kirche zu einem kunsthistorischen Juwel.
Hochaltar – Der Antwerpener Schnitzaltar
🔹 Entstehung: Um 1510 in einer Antwerpener Werkstatt
🔹 Künstler: Meister von Overbeck
🔹 Darstellung: Heilige Sippe
🔹 Hintergrund: Der Hochaltar, ursprünglich als Annenaltar konzipiert, enthält auch Elemente des ehemaligen Petrusaltars. Die erhaltenen Teile des Petrusaltars sind im nördlichen Nebenchor zu sehen, während die Flügel mit den Darstellungen des Martyriums Petri und der Offenbarung des Johannes heute in der Kirche St. Severin in Köln ausgestellt sind.

Sakramentshäuschen
🔹 Material: Sandstein
🔹 Stil: Spätgotik
🔹 Entstehung: Kurz nach 1500
🔹 Bedeutung: Ein kunstvolles Sakramentshäuschen dieser Epoche diente zur Aufbewahrung des Allerheiligsten und unterstreicht die liturgische Bedeutung des Kirchenraums.

Taufstein aus dem 12. Jahrhundert
🔹 Material: Namurer Blaustein
🔹 Gestaltung: Verziert mit roh behauenen Löwen und Drachen
🔹 Symbolik: Die Tiere symbolisieren den Kampf zwischen Gut und Böse – eine häufige Darstellung an Taufsteinen dieser Zeit.

Chorgestühl aus dem 15. Jahrhundert
Das spätgotische Chorgestühl zählt zu den bedeutendsten erhaltenen Holzarbeiten der Kirche. Es diente den Geistlichen während des Stundengebets als Sitzgelegenheit und beeindruckt durch feine Schnitzereien.
Die Euskirchener Madonna – Ein Meisterwerk der Bildhauerkunst
🔹 Entstehung: Um 1500
🔹 Zuschreibung: Tilman Riemenschneider oder seiner Werkstatt
🔹 Darstellung: Mondsichelmadonna mit Jesuskind
🔹 Standort: Marienchor im südlichen Seitenschiff
🔹 Besonderheit: Die Madonna steht in einer von Hein Gernot 1972 geschaffenen Stele aus Lahnsteinmarmor mit einem kunstvollen Bronzegitter.

Pietà – Ausdruck tiefer Frömmigkeit
🔹 Material: Holz
🔹 Entstehung: 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts
🔹 Erhaltungszustand: Originale Farbfassung
🔹 Bedeutung: Die Pietà zeigt die trauernde Mutter Maria mit dem Leichnam Jesu und ist ein zentrales Motiv mittelalterlicher Frömmigkeit.

Kruzifix aus dem Jahr 1290
🔹 Gestaltung: Ein natürlicher Baumstamm formt das lateinische Kreuz
🔹 Standort: Marienchor
🔹 Symbolik: Die unregelmäßige Form des Kreuzes verleiht der Darstellung eine besondere Lebendigkeit und Natürlichkeit.

Renaissance-Epitaph des Heinrich von Binsfeld
🔹 Entstehung: 16. Jahrhundert
🔹 Bedeutung: Gedenkstein für Heinrich von Binsfeld und seine Frau Elisabeth von der Horst
🔹 Stil: Renaissance
🔹 Besondere Merkmale: Die Inschriften und Reliefs des Epitaphs zeigen eine kunstvolle Steinmetzarbeit der damaligen Zeit.

Römischer Matronenstein
🔹 Herkunft: Römische Epoche
🔹 Bedeutung: Gedenkstein zu Ehren der Matronen, einer Gruppe weiblicher Schutzgottheiten, die vor allem im Rheinland verehrt wurden.
🔹 Symbolik: Der Stein erinnert an die vorchristlichen Wurzeln der Region und die religiöse Kontinuität über die Jahrhunderte hinweg.
Kirchenschatz – Liturgische Kostbarkeiten
Die Kirche St. Martin beherbergt eine Sammlung wertvoller sakraler Objekte:
✔ Gotisches Missale aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts
✔ Monstranz (um 1500) aus vergoldetem Silber mit Emailarbeiten und Ziersteinen
✔ Ältester gotischer Kelch des Rheinlandes
✔ Kasel (liturgisches Gewand) aus dem 16. Jahrhundert
Fazit & Bedeutung: St. Martin in Euskirchen – Ein lebendiges Zeugnis der Geschichte
Die Pfarrkirche St. Martin in Euskirchen ist weit mehr als ein historisches Bauwerk – sie ist ein lebendiges Zeugnis der Stadtgeschichte, des christlichen Glaubens und der sakralen Kunst durch die Jahrhunderte. Von einer bescheidenen fränkischen Saalkirche im 8. Jahrhundert über den Ausbau zur romanischen Pfeilerbasilika im 12. Jahrhundert bis hin zu den gotischen Erweiterungen des Spätmittelalters hat sie zahlreiche architektonische Veränderungen erfahren. Diese spiegeln nicht nur den Wandel des Kirchenbaus, sondern auch die Entwicklung der Gemeinde und ihrer religiösen Praktiken wider.
Mit ihrer reichen Ausstattung, darunter das prachtvolle Antwerpener Schnitzretabel, das kunstvolle Sakramentshäuschen und die mit Tilman Riemenschneider in Verbindung gebrachte Madonna, beherbergt die Kirche einige der bedeutendsten sakralen Kunstwerke des Rheinlandes. Die Verschmelzung verschiedener Stilepochen – von der Romanik über die Gotik bis zur Renaissance – macht St. Martin zu einem kulturellen Juwel, das Kunst- und Geschichtsinteressierte gleichermaßen fasziniert.
Doch St. Martin ist nicht nur ein architektonisches Denkmal – sie bleibt bis heute ein zentraler Ort des Glaubens und der Begegnung. Die Kirche bildet das geistliche Zentrum der Gemeinde, in der bis heute Gottesdienste, Taufen, Hochzeiten und Feste gefeiert werden. Die Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart zeigt sich besonders in der Erhaltung und Pflege ihrer historischen Substanz, aber auch in der aktiven Nutzung als Ort der Besinnung, der Andacht und des gemeinschaftlichen Lebens.
Die Kirche St. Martin ist somit nicht nur die älteste, sondern auch die kunsthistorisch wertvollste Kirche in Euskirchen. Ihre Bedeutung reicht weit über die Stadtgrenzen hinaus und macht sie zu einem Schlüsselbauwerk sakraler Kunst und Architektur im Rheinland. Wer die Kirche betritt, spürt die Spuren der Jahrhunderte – eine Einladung, sich auf eine Zeitreise durch die Geschichte des Glaubens und der Baukunst zu begeben.
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